3. Die Juden als Sündenböcke

Der schwarze Tod

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Ein sich über ganz Europa hinziehendes Ereignis sollte für die Juden grausame Folgen haben. Es war die Pest, der schwarze Tod, der sich v.a. in den Jahren von 1348 bis 1350 über die Städte Europas ausbreiten und zirka 20 bis 30 % der Einwohner dahinraffte. Man stand der Seuche hilflos gegenüber und konnte sich zunächst die Ursachen ihrer Entstehung nicht erklären. Nun trat ein uralter Mechanismus in Kraft, der zu allen Zeiten zu beobachten ist. Wenn sich Unglücke einstellen, dann muß ein Sündenböcke her, der dafür verantwortlich gemacht werden kann. Die Christen haben dies in der Zeit der Verfolgung im römischen Reich am eigenen Körper erlebt, in der frühen Neuzeit waren Hexen an allerlei Unglücksfällen schuld, und auch heute scheinen manche Menschen in den ausländischen Mitbürgern oder Asylanten die Ursache für die wirtschaftliche Rezession in Deutschland gefunden zu haben.

In dem Pestjahren des späten Mittelalters mußten die Juden herhalten. Man besichtigte sie, durch das Vergiften von Brunnen an der Entstehung der Pest schuldig zu sein. Damit lebten alte Beschuldigungen wieder auf, die die Juden als Giftmischer verleumdet haben. Diese Saat viel auf fruchtbaren Boden und auch Hinweise von einsichtigen Beobachtern, daß die Pest auch unter dem Juden prozentual genauso viele, wenn nicht noch mehr Todesopfer forderte, hielten die Menschen nicht davon ab, den Diffamierungen Glauben zu schenken. So wurden z.B. im heutigen Bayern und Österreich in den Jahren 1348/49 die jüdischen Gemeinden in München, Landsberg, Salzburg, Braunau, Ingolstadt, Sulzbach, Neumarkt, Nürnberg, Würzburg, Bamberg, Nördlingen, Augsburg und Kempten vernichtet. Der Bericht eines Chronisten über das Jahr 1348: "Des Jars erschlugen die von Nördlingen all ir Juden zu tod, man und wip und kint am feiertag nach Jacobi und namen in alles ir gut und wer schuldig was, da gab in niemand nichts umb." Einsprüche mancher besonnener Fürsten, des Papstes und des Kaisers halfen nicht, sie waren nicht in der Lage, die Juden zu schützen, die doch jahrelang Unsummen an Geld bezahlt hatten. Ja es scheint sogar Hinweise zu geben, daß manche Obrigkeit, v.a. der Patriziat in den Städten, die Pogrome steuerten. So wurde z.B. eine jüdische Geschäftsfrau in Augsburg vor den bevorstehenden Übergriffen gewarnt und konnte durch das Verlassen der Stadt den Pogrom überleben. Auch hat es wohl Absprachen unter benachbarten Städten gegeben, so daß es mancherorts schon vor dem Auftreten der Pest Judenpogrome gegeben hat.

Wenn in der Zeit der Pest in Deutschland etwa 25 % der christlichen Bevölkerung gestorben ist, so fanden etwa 75 % der Juden in dieser Zeit den Tod, der Rest war wirtschaftlich ruiniert und mußte einige Zeit von Ort zu Ort ziehen. Viele von ihnen zogen, wie schon einmal angedeutet, nach Osten in die slawischen Länder. Im Schtetl hielten sie an ihren alten Traditionen fest, wozu auch die Sprache gehörte. So lebte ein Dialekt der mittelhochdeutschen Sprache mit hebräischen Einsprengseln im Jiddischen bis auf dem heutigen Tag fort.

Auch im Deutschen Reich ging das Leben weiter. Kaiser Karl IV. erteilte am 26. März 1349 seine Absolution wegen der begangenen Judenmorde und versicherte den Bürgern seine Hult und Gnade trotz der an den Juden verübten Taten. In diesem Zusammenhang gab es auch Schuldenerlasse, bei denen die überlebenden Juden gezwungen wurden, ihre Schuldbriefe zurückzugeben. Dafür mußte dem Kaiser vom Schuldner eine bestimmte Summe als Entschädigung gezahlt werden.

Manche Städte leisteten einen Eid, daß sie "nie wieder" Juden in ihre Mauern einlassen würden. In der Praxis galt dieses "nie wieder" allerdings nur ein paar Jahre, dann nahm man wieder Juden, in den meisten Fällen Witwen und Waisen, in den Städten auf. Oft wurden ihnen sogar Privilegien erteilt, denn man hatte erkannt, daß man aus wirtschaftlichen und finanziellen Gründen auf das Kapital und die Steuern der Juden angewiesen war.

 

Die Ausweisung der Juden im 15. Jahrhundert

Die Freibriefe für die Juden waren jetzt aber nicht mehr auf unbestimmte Zeit ausgestellt, sondern waren nur noch jeweils für wenige Jahre befristet. Eine neue Bestätigung kostete jedesmal Extraabgaben, andererseits konnten die Juden ohne evidenten Rechtsbruch jederzeit aus dem Land bzw. der Stadt vertrieben werden. Dies geschah im Laufe des 15. Jahrhunderts in vielen Städten und Territorien. Die allgemeine Einstellung der christlichen Bevölkerung gegen Juden war weiterhin negativ und von Vorurteilen und Verleumdungen geprägt. Und so wurden jüdische Mitbürger aus verschiedenen Territorien und Reichsstädten ausgewiesen, andere Landesherren dagegen akzeptierten die Juden, ließen sie in ihren Landschaften siedeln und nahmen Steuer von ihnen ein. So wurden die jüdischen Bewohner 1438 aus Augsburg, 1442 und 1450 aus den bayerischen Herzogtümern, 1451 aus dem Hochstift Bamberg, 1477 aus dem Hochstift Passau, 1498 aus dem Hochstift Salzburg, 1499 aus der Reichsstadt Nürnberg, 1507 aus der Reichsstadt Nördlingen und 1519 aus Regensburg vertrieben. Landesherren wie z.B. die Grafen von Oettingen oder auch die Markgrafen von Ansbach-Brandenburg und Kulmbach-Bayreuth duldeten jüdische Gemeinden. In solchen Territorien ließen sich die Juden dann nieder. Als Wohnort wählten sie Dörfer, die in der Nähe der Städte lagen, aus denen sie vertrieben worden sind. Denn tagsüber durften sie die Städte betreten und unter gewissen Konzessionen ihren Geschäften nachgehen. Doch nachts mußten sie diese verlassen und lebten auf den Dörfern. Die Städter waren jetzt nicht mehr ganz so sehr auf jüdische Kredite angewiesen, denn christliche Geldverleiher hatten den Markt übernommen. Deshalb suchten und fanden die Juden jetzt auch andere Erwerbsquellen. Sie betrieben nun v.a. den Kleinhandel mit landwirtschaftlichen Erzeugnisse zwischen Stadt und Land. Dazu gehörte auch, daß sie als Vieh- und Weinhändler aktiv wurden. Umgekehrt vertrieben sie auch Kurzwaren und andere Erzeugnisse aus der Stadt, indem sie als Hausierer auf den Dörfern tingelten. Da sie viele Leute kannten und weit herum kamen, betätigten sie sich auch als Immobilienmakler in der damaligen Zeit.

Dieses Bild der Juden auf dem Land reicht noch weit hinein in die Neuzeit, so daß ich hier die Betrachtung über das Leben der Juden im Mittelalter abbrechen möchte. Es gäbe noch eine Menge zu sagen über die Selbständigkeit der Juden in der inneren Verwaltung, die rechtliche Beziehungen zwischen Juden und Christen, die kulturellen Leistungen der Juden und vieles mehr. Doch angesichts des zeitlichen Rahmens möchte ich darauf nicht näher eingehen.

Doch bevor ich ende, möchte ich noch kurz über den Sinn dieses Vortrages reflektieren. Er sollte nicht nur Fakten und Informationen über eine längst vergangene Epoche der deutschen Geschichte vermitteln. Nein - es steckt noch etwas mehr dahinter. Vielleicht hilft uns bei dieser Frage ein Textabschnitt weiter, der für beide Religionen, Juden wie Christen, gleichermaßen Gültigkeit hat. Wir finden ihn in 3. Mose 19,33f.: "Wenn ein Fremdling bei euch wohnt in eurem Land, den sollt ihr nicht bedrücken. Er soll bei euch wohnen wie ein Einheimischer unter euch, und du solltest ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid auch Fremdlinge gewesen in Ägyptenland. Ich in der Herr, euer Gott."

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