1. Die Juden als Stammesfremde

Verbreitung der Juden in Mittelalter

Schauen wir uns einmal die Verbreitung jüdischer Gemeinden im hohen und späten Mittelalter an. Dazu diese Karte.

Gemeinden.jpg (69749 Byte)

Bemerkenswert ist die Tatsache, daß die Juden zu dieser Zeit vor allem in Städten wohnten, im Unterschied zu späteren Zeiten. Sie wohnten in Städten und zwar in sehr wichtigen Städten, wichtig vor allem für den Handel im Deutschen Reich mit dem Süden. Wir erkennen Zentren jüdischer Siedlungen am Rhein (Speyer, Worms, Mainz, Tier, Köln), die die ältesten Siedlungen sein dürften, und in Süddeutschland (Frankfurt, Würzburg, Bamberg, Nürnberg, Rothenburg, Nördlingen, Augsburg, Ulm, Regensburg, Passau), die zum Teil etwas später entstanden sind. Auch in Mitteldeutschland waren jüdische Siedlungen anzutreffen, dagegen sind in Norddeutschland einige weiße Flecken auf der Landkarte zu finden. Dort wo der Handel mit Skandinavien betrieben wurde, gab es keine jüdischen Siedlungen, an der Rheinstraße und in anderen Städten in Süddeutschland - Zentren des Handels mit Italien und dem Orient - finden sich dagegen zahlreiche jüdische Siedlungen.

 

Woher kamen die Juden?

In weiten Teilen des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation waren, wie wir gesehen haben, im Hochmittelalter Juden ansässig. Mir drängt sich dabei die Frage auf, woher sie gekommen sind.

Beim Versuch, auf diese Frage eine Antwort zu geben, muß man auf eines hinweisen: die Quellenlage über die Juden in der Zeit des früheren Mittelalters ist sehr schlecht. Dazu kommt, daß diese wenigen Quellen meistens von Christen verfaßt worden sind, die in gewisser Weise voreingenommen gewesen sein konnten. Dies gilt übrigens auch für das gesamte Mittelalter.

Eines dürfte allerdings als gesichert gelten. In vielen Städten, die ehemals zum Römischen Reich gehört hatten - die Grenzen waren grob gesagt der Rhein, die Donau und dazwischen der Limes -, gab es schon seit sehr langer Zeit, zuteil schon seit der Zeit vor Christi Geburt jüdische Gemeinden. Z.B. soll in Worms eine jüdische Gemeinde bereits im 5. Jahrhundert vor Christi bestanden haben. Die ersten Urkunden stammen allerdings erst aus dem 4. Jahrhundert nach der Zeitrechnung, z.B. eine Verordnung des römischen Kaisers Konstantin für die Kölner Gemeinde. Die Juden waren damals den römischen Bürgern gleich gestellt und konnten jedes Gewerbe ausüben. Ähnlich wie die Reste der römischen Bevölkerung dürften sicherlich auch Juden trotz des Sturmes der Völkerwanderungszeit im Lande geblieben sein und eine gewisse Rolle für die Handelsbeziehungen der germanischen Stämme untereinander gehabt haben.

Im 9. Jahrhundert gab es eine Zunahme der jüdischen Bevölkerung in den meisten Ländern. Die Expansion der Araber drängte manche jüdische Familie nach Norden an die nördliche Mittelmeerküste, von wo aus sie auch ins Deutsche Reich hineinzogen. Dort wurden sie z.T. mit großem Wohlwollen wegen ihrer wirtschaftlichen Bedeutung aufgenommen, wie ein Privileg Bischof Rüdigers von Speyer aus dem Jahre 1084 zeigt: "Als ich aus dem Dorfe Speyer eine Stadt machte, glaubte ich, den Glanz unseres Ortes tausendfach zu vergrößern, wenn ich Juden dort ansiedelte."

 

"Berufe" der Juden im frühen Mittelalter

Von solchen Verdiensten der Juden kann man des öfteren lesen, denn sie hatten zum Teil sehr angesehene Berufe. So gelangten gute jüdische Ärzte als Leibärzte auch an Fürstenhöfe, ja sogar an den Kaiserhof und hatten dort großen Einfluß.

Ein anderer sehr wichtiger Beschäftigungsbereich der Juden zu dieser Zeit war der Handel und zwar der internationale Fernhandel. Durch die Eroberungen der Araber, aber auch durch die zunehmende Verschlechterung der Beziehungen zwischen dem byzantinischen Kaiserhof und der römisch-katholischen Kirche und den westlichen Königsreichen litt der Handel zwischen Orient und Okzident. Hier konnten jüdisch Händler in die Bresche springen und die europäischen Königshäuser, Fürstenhöfe und die hohe Geistlichkeit mit den beliebten Luxusartikeln und Gewürzen aus dem Osten beliefern. Aus Europa führten sie v.a. Getreide und Sklaven aus, die von Christen unter der damals noch heimischen Bevölkerung der Slawen gefangen wurden.

Da neben den jüdischen Kaufleuten in christlichen Ländern auch jüdische Händler in arabisch besetzten Gebieten blieben, konnten sie ein regelrechtes Netz von Handelsbeziehungen aufbauen. Dabei gab es enge Beziehungen dieser Kaufleute untereinander, die sich gegenseitig Gastfreundschaft und Unterstützung, wozu auch Kredite gehörten, auch über weite Entfernungen hinweg gewährten. Auch die Kenntnis der orientalische Sprachen war für diesen Handel von großer Bedeutung. Eine sehr wichtige Rolle dabei spielte auch die Synagoge in den jeweiligen Städten, die ein erster Anlaufpunkt war und auch als Herberge dienen konnte.

Im Laufe der Zeit begannen die jüdischen Kaufleute, sich auch im örtlichen Handel zu betätigen. Und so fanden nun auch die Feudalherren Gefallen daran, sich der Talente der Juden zu bedienen. Diese wurden so zu wichtigen Berater in Sachen Geld für die Feudalherren, was auch ein höheres Ansehen bei der Bevölkerung zur Folge hatte. Z.B. wurde in Passau 1204 das Amt eines Zolleinnehmers des Bischofs an einen Juden übertragen, was nur angesehenen und kapitalkräftigen Leuten verliehen wurde.sueßkind.jpg (63644 Byte)

So gut ging es nicht allen Juden, doch läßt sich für die Zeit des früheren bis zum hohen Mittelalter feststellen, daß es der Mehrheit der Juden relativ gut gegangen sein muß. Außer Ärzten und Kaufleute gab es auch Gelehrte, speziell Talmudgelehrte, oder auch Dichter, wie den jüdischen Minnesänger Süßkind von Trimmberg. Manche Juden besaßen auch Weinberg, Höfe und Gärten, so daß man sie regelrecht als Bauern bezeichnen kann. Jedoch darf man die Juden nicht mit normalen Bauern dieser Zeit vergleichen, denn sie standen als Nichtchristen außerhalb des Systems der Grundherrschaft, diesem Verhältnis von Grundherr und Hörigem. Zu dieser Zeit nämlich war es im geistigen und gesellschaftlichen Klima des Christentums unvorstellbar, daß ein Leibeigener ein Ungläubiger und sein Herr ein Christ sein konnte oder umgekehrt. Dies war dadurch bedingt, daß die Abhängigkeitsverhältnisse durch religiöse Eide gefestigt wurden und diese Eide nur von Anhängern der gleichen Religion geleistet werden konnten.

 

 

 

Rechtliche Stellung der Juden im frühen Mittelalter

Welche Stellung hatten dann die Juden in der frühmittelalterlichen Gesellschaft inne? Bei dieser Frage müssen wir die germanische Rechtsauffassung berücksichtigen, welche für die Zeit des frühen Mittelalters ausschlaggebend war. Die Eigenart des germanischen Rechts stellte die Juden außerhalb des Stammesrechtes. Sie waren nicht rechtsfähig im Sinne der Rechtsfähigkeit der Stammesangehörigen, da sie zu keiner Sippe und damit nicht zum Stamm gehörten. Der im Deutschen Reich lebende Jude war ein Ausländer wie jeder Fremde, der in das Land kam. Die Friedensgemeinschaft, in der die Stammesangehörigen lebten, war ihm von Haus aus verschlossen.

Trotzdem lebten die Juden, zu mindestens die jüdischen Männer, nicht rechtlos. Sie standen unter dem Fremdenrecht und wurden zusammen mit allen übrigen Stammesfremden unter den Schutz einer besonderen Rechtsordnung gestellt. Ihnen verlieh der König als oberster Friedenswahrer seinen Schutz. Sie waren zu dieser Zeit freie Menschen, genossen Freizügigkeit, konnten über ihr Eigentum frei verfügen, konnten nach Belieben Handel treiben und durften nicht belästigt oder verfolgt werden. Dazu gehörte auch, daß es keine Zwangstaufen geben durfte.

Allerdings mußten die Juden, wie die Christen auch, Steuer und Abgaben aus ihren Einkünfte bezahlen, aber nur die normalen Abgaben, keine besonderen, wie dies dann später der Fall sein sollte. Im Gegenteil, oft wurden sie noch mit Privilegien ausgestattet, die ihnen z.B. Befreiung vom Zoll gewährten.

Weiter

 

zurück zur Homepage/Geschichte zurück zur Privathomepage