Griechisch lebt
in unserer Staatsform
" Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat. Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus." (Art. 20.1 und 2a GG der Bundesrepublik Deutschland)
Alle vier Jahre hat der wahlberechtigte Staatsbürger die Möglichkeit durch seine Stimmabgabe die Politik zu beeinflussen. Das Volk gibt seinen Repräsentanten die Macht auf Zeit. Doch der eigentliche Souverän ist das wahlberechtigte Volk.
Dass das Volk die Herrschaft (vgl.
d h m o V - Volk; k r a t e i n - herrschen) haben soll, auch dies ist ein Gedanke, der sich im klassischen Griechenland zum ersten Mal durchgesetzt hat. Die Vorreiterstellung hatte dabei die Polis Athen inne.Man kann schwerlich die direkte Demokratie der Athener, in der wichtige Ämter sogar durch Losentscheid besetzt wurden, mit unserer repräsentativen Demokratie vergleichen. Aber dennoch war es ein Meilenstein der Geschichte, dass das Volk eben auch einfache Bürger an der politischen Willensbildung und den Machtbefugnissen Anteil haben konnte.
Das Wesen der attischen Demokratie soll die angefügte Skizze verdeutlichen.
Quelle: Unser Weg in die Geschichte, Band 1, hrg. von Harro Brack u.a., S. 56.
Es soll hier nicht verschwiegen werden, dass die attische Demokratie auch ihre Schattenseiten hatte. Sie wurde z.B. den Mitgliedern des attisch-delischen Seebundes ohne deren Zustimmung aufgedrängt. Abfaller wurden schlimm bestraft: vgl. das brutale Vorgehen der Athener gegen die Melier, wie es Tukydides in seinem Melierdialog (V 84-116) beschreibt!
In der griechischen Geisteswelt gab es auch Personen, die sich über die beste Staatsform Gedanken machten. Bei einigen, wie z.B. Herodot, Platon oder Polybios, stellte sich der Gedanke ein, dass es einen Kreislauf der Verfassungen gibt. Es gibt zwar bei jeder Verfassung eine Idealform, aber durch ein Art von Dekadenz wird sie beiseite geschoben und es stellt sich eine schlechte Form dieser Verfassung ein. Diese wird dann durch eine andere Verfassung abgelöst.
Interessanterweise gilt die Demokratie bei so wichtigen Denkern wie Platon oder auch Herodot gerade nicht als die beste Form der Regierung eines Staates.
Doch schauen wir uns an, was Herodot einen von mehreren Diskussionspartnern Schlechtes über die Alleinherrschaft eines Mannes und Gutes über die Demokratie sagen läßt:
"Als das Getümmel sich nun gelegt hatte und fünf Tage um waren, berieten die Sieben, die sich gegen die Mager erhoben hatten, über den Staat im ganzen, und da wurden Reden gehalten, die einigen Hellenen unglaubwürdig scheinen, gehalten wurden sie immerhin.
Otanes schlug vor, man solle die Regierung den Persern insgesamt in die Hände legen, und sprach:
"Ich bin der Meinung, ein einziger von uns sollte nicht wieder Alleinherrscher werden. Denn das ist weder erfreulich noch gut. Denn ihr kennt Kambyses Überhebung, wie weit sie ging, und habt zu kosten bekommen die Überhebung des Magers. Wie kann auch Alleinherrschaft eine wohlbestellte Ordnung sein, sie, der es erlaubt ist, ohne Rechenschaft zu tun, was ihr beliebt? Denn gelangte auch der beste aller Menschen zu solcher Macht, sie stellte ihn außerhalb alles gewohnten Denkens. Denn in ihm wächst Überhebung, aus der Fülle, in der er steht, die Mißgunst aber ist von Anbeginn dem Menschen eingepflanzt. Hat er aber diese zwei, hat er alles Schlimme miteinander. Denn nun, übersättigt und voll Überhebung, tut er vieles Entsetzliche, anderes aber aus Mißgunst. Und doch sollte ein unbeschränkter Herr frei sein von Mißgunst, wo er ja alles hat; aber grade das Gegenteil ist seine Wesensart den Mitbürgern gegenüber. Denn er mißgönnt es den Besten, daß sie wohl und am Leben sind, und hat seinen Gefallen an den Schlechtesten im Volk, Verleumdungen aber zu glauben, darin ist er der Beste. Das Ungereimteste aber von allem: Lobst du ihn, aber mit Maßen, so wird er verstimmt und böse, daß er nicht kräftig genug gefeiert wird, feiert ihn aber wer kräftig, so wird er böse und verstimmt, weil man nur schmeichle. Das Schlimmste aber kommt noch! Ererbte Satzungen erschüttert er, tut den Frauen Gewalt an, tötet ohne Urteil und Recht. Herrscht aber die Gemeinde, trägt das erstens den schönsten aller Namen: gleiches Recht, und zweitens, alles was der Alleinherrscher tut, das tut sie nicht; nach dem Los besetzt sie die Ämter, ist Rechenschaft schuldig über die Leitung, und alle Beschlüsse bringt sie vor die Gemeinschaft. Darum ist meine Meinung, wir lassen von der Alleinherrschaft und stärken die Gemeinde. Denn im Vielen steckt das Ganze."
Herodot 3, 80. Deutsch: Herodot Historie I V. übersetzt von Walter Marg, S. 269f. (dtv).
Griechisch: Herodoti Historiae I, hrg. von C. Hude, Oxford Classical Texts.
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